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Einleitung

Bebilderte Geschlechterbücher der deutschen Renaissance
Ein Internetangebot rund um die Chronik Eisenberger
von Hartmut Bock

Große Ehre ist es, von edlem Stamm geboren zu werden.
Aber eigene Tugend und Taten zählen mehr - auch als Reichtum [...]
Ewigen Ruhm gibt’s nur für die den Musen folgenden Männer
. [1]

EINLEITUNG

Die Chronik Eisenberger [2] gehört zu den prächtig illustrierten und textlich inhaltsreichen Geschlechterbüchern [3] der deutschen Renaissance. Ende des 16. Jahrhunderts von Philipp Eisenberger dem Jüngeren (1548-1607) in Mainz geschrieben, diente sie der Selbstdarstellung eines hessischen Beamtengeschlechts, das anderthalb Jahrhunderte lang unter anderem im Eppsteinischen, später Stolbergischen Amt Ortenberg Keller und Amtmänner stellte. Die Eisenberger hatten breite Verbindungen zu Wetterau, Taunus und Mainz und heirateten dreimal in das Frankfurter Patriziat [4]. – Durch ihre 170 mit Wasserfarben kolorierten Federzeichnungen ist die Chronik Eisenberger ein unmittelbares Pendant zum Frankfurter Hausbuch Melem [5], dem einzigen in Vielfalt und Schönheit der Bilder im hessischen Raum heute vergleichbaren Geschlechterbuch. Durch ihren umfangreichen und vielseitigen Text ragt jedoch die Chronik Eisenberger über jenes deutlich hinaus. Philipp Eisenbergers erfolgreich verwirklichte historiografische Absicht ist es, in Wort und Bild Stand, Würde und Ansehen seiner Familie zu präsentieren. Dabei werden die Geschicke der Familie Eisenberger in ihren verschiedenen Zweigen um die der Familien der Frauen des Chronisten ergänzt: Catharina Bromm (1555-1594) aus Frankfurter Patriziat und Margarethe von Meckenheim (1568-1603) aus pfälzischem Niederadel. Zur dritten Ehe mit Anna Juliana von Schmittburg (1572-1643) aus Niederadel von Hunsrück bzw. Rheinhessen finden wir in der Chronik nur noch das Bild des Paares, aber keinen Text mehr. Die Chronik Eisenberger ist die Geschichte einer Aufsteigerfamilie. Die männlichen Mitglieder wurden 1563 in den erblichen Ritterstand [6] erhoben. Die Ehepartner stammten durchweg aus Amtsfamilien [7], Niederadel [8] und Patriziat. Nach rund 150 Jahren verfolgbarer, erfolgreicher Familiengeschichte starben die Eisenberger 1607 mit dem Chronisten im Mannesstamme aus (Pest). Das Konzept für den Heiratsvertrag seiner siebzehnjährigen Tochter Anna Elisabeth (+ 1632) hatte er mit seinem Testament noch auf dem Krankenlager unterschrieben.

Das Original der Chronik Eisenberger gelangte nach dem Aussterben der Namensträger über den Hessen-Darmstädtischen Kanzler Anton Wolff zur Todenwarth (Urenkel der Anna Eisenberger) 1640 zum Frankfurter Stadtschultheiß Hector Wilhelm von Günderode, der es Johann Maximilian zum Jungen für seine Frankfurter Geschlechterchronik überließ. Dieser baute dabei auf den Arbeiten von Johann Friedrich und Hans Hector Faust von Aschaffenburg [9] auf. [10] Hierüber konnte Achilles August von Lersner die Chronik Eisenberger für seine Frankfurter Chronik [11] nutzen und der Frankfurter Genealoge Johann Karl von Fichard für seine Sammlung zur Geschichte der Frankfurter Patrizierfamilien [12]. Das Original kam dann rund hundert Jahre später in Besitz der Grafen von Schönborn und befindet sich heute in der Bibliothek von Schloß Weißenstein ob Pommersfelden [13]. Auch nach einer 1947 von Ludwig Clemm, Direktor des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, angefertigten Transkription [14] war die Existenz der Chronik Eisenberger nur wenigen Eingeweihten bekannt und ist nur für genealogische Zwecke genutzt worden. So gehört die Amtsfamilie Eisenberger auch zu den Vorfahren Johann Wolfgang von Goethes [15]. 1987 hat dann Peter Fleck die Clemmsche Transkription in Maschinenschrift übertragen und mit umfangreichen Ergänzungen versehen [16]. Eines der Bilder der Chronik gab Anlaß zu einer Studie zum berühmten Gothaer Liebespaar [17]; mit einem weiteren veranschaulichte Waltraud Friedrich das Aussehen von Kloster Konradsdorf Mitte des 16. Jahrhunderts [18]. Zuletzt wurde die Chronik von Regina Schäfer bei ihrer grundlegenden Studie zu den Herren von Eppstein im Spätmittelalter als Quelle mit herangezogen [19].

Die Chronik Eisenberger erweist sich bei näherem Hinsehen als eine Fundgrube für die Personen-, Lokal- und Kulturgeschichte bis hin zur Verwaltungsgeschichte, Heraldik und historischen Kostümkunde. Jedoch befriedigt die isolierte Untersuchung solcher Einzelaspekte nur zum Teil, einmal weil entsprechend dem damaligen Stand des historischen Begreifens und Umgangs mit Quellen die Fakten aus den weiter zurückliegenden Generationen [20] nicht alle verläßlich wiedergegeben werden, was ja beispielsweise für die Genealogie und die historische Kostümkunde nichts Neues ist, zum andern, weil die Themen meist in Einzelheiten verstreut sind und somit insgesamt der mühsamen Aufbereitung und Überprüfung bedürfen. Erst mit dem von Beat Rudolf Jenny 1959 für die Zimmerische Chronik entwickelten [21] und von Rudolf Seigel 1982 für die Hausgeschichtsschreibung des schwäbischen Adels allgemein formulierten [22] sowie unter anderen von Urs Martin Zahnd 1986 für die Aufzeichnungen des Berners Ludwig von Diesbach fortgeführten Ansatz [23], diese Quellen des 16. Jahrhunderts als Ganzes anzunehmen und entsprechend dem ursprünglichen Zweck als Instrument der Selbstdarstellung eines Geschlechts zu sehen, gewinnt man auch für die Chronik Eisenberger den Schlüssel, mit dem sich die einzelnen Aspekte zum Ganzen ordnen lassen. Dabei gilt es – auch mit Hilfe weiterer Quellen –, den Chronisten in seiner geistigen Welt und seinem Lebensstil zu erfassen, ihn nach seinen historiografischen Absichten zu befragen und Bild und Text seines Werkes in die vom Humanismus geprägte Kultur von Adel und Patriziat der deutschen Renaissance einzuordnen [24]. Das inzwischen gestiegene Interesse an Einzelpersonen, deren Lebenssituationen und Lebensentwürfen und das Plädoyer für die Multiperspektivität historischer Untersuchungen und Darstellungen im Sinne von Mikro- und Makro-Historie [25] kann als Unterstützung dieses Ansatzes genutzt werden. Ähnliches gilt für die Aufnahme von diskurs- und wahrnehmungsgeschichtlichen Befunden, Ängsten sowie irrationalen aber auch traditionsbildenden Momenten [26]. Unterstützend wirkt die inzwischen erfolgte Öffnung gegenüber nichtpoetischen Gattungen im Sinne von "Zweck- und Gebrauchsformen der Literatur", die Akzeptanz des individuellen Charakters solcher Bücher als Gewähr für Kunst [27] und die Forschungsrichtung, Geschichte als Produkt einer sinnbildenden Tätigkeit aufzufassen und die historischen Ereignisse und Zustände auf die sprachlichen Muster ihrer Überlieferung zurückzuführen [28]. – Ganzheitlich hat 1997 Pierre Monnet die Aufzeichnungen der Frankfurter Patrizierfamilie Rorbach in einem grundlegenden Werk untersucht [29]. Die Rorbachschen – praktisch unbebilderten – Aufzeichnungen entstanden rund 100 Jahre vor der Chronik Eisenberger und reichen wie diese über einen Zeitraum von etwa anderthalb Jahrhunderten. Monnet hat konsequent die Wechselwirkungen von Individuen, Familie, Gruppe (Patriziat) und Umfeld (Stadt Frankfurt) dazu genutzt, aus Sicht der Familiengeschichte die der Stadt Frankfurt zu entwickeln. Bei Eisenberger wären die meist niederadligen Amtsfamilien als – allerdings viel weniger geschlossene – Gruppe sowie das angeheiratete Patriziat zu betrachten sowie als Umfeld die vielen kleinen und mittelgroßen Territorien in Wetterau und Taunus mit der Reichsstadt Frankfurt und der kurfürstlichen Residenz- und Bischofsstadt Mainz sowie den Wechselwirkungen zwischen diesen [30]. Der Chronist Eisenberger schreibt weitgehend wörtlich die Genealogie "Stirps Rorbach" ab und führt sie fort, da die Rorbach zu den Vorfahren seiner ersten Frau gehörig – womit sich diese Familie für unseren Kommentar zum Vergleich besonders anbietet. Ganz analog werden von ihm die Familiennachrichten weiterer Geschlechter – nicht nur des Frankfurter Patriziats – erforscht und eingearbeitet.

Darüber hinaus schildert die Chronik Eisenberger aus der Sicht der Familiengeschichte der Amtleute und Keller die Amts- bzw. Verwaltungsgeschichte [31] von Ortenberg. Ein solches Amt ist weniger räumlich zu verstehen, als vielmehr auf die Herrschaft bezogen, die Dörfer als Beziehungsnetz zum Herrschaftsmittelpunkt hin. Das kleine Amt Ortenberg war zur Zeit der Eisenberger Kondominat, d.h. gemeinsame Herrschaft der Herren bzw. Grafen von Eppstein, später von Stolberg, zusammen mit den Grafen von Isenburg und den Grafen von Hanau mit jeweils unterschiedlichen Anteilen und Rechten, die ständig wechselten; es wurde nicht als Residenz genutzt. Auch in andere Amtsorte und einige Klöster der Wetterau werden Einblicke gewährt. Infolge günstiger Umstände sind im Falle von Ortenberg die Kellerei- bzw. Amtsakten von allen drei beteiligten Herrschaften weitgehend erhalten [32]. – Über Genealogie und Familiengeschichte hinaus hat Philipp Eisenberger seinen Chroniktext erweitert und zu einem neuen Ganzen zusammengefügt: Mit den lateinischen Gedichten, etwa zur Hochzeit des Autors, anläßlich seiner Studienortwechsel und zum Wappen der Familie führt er uns in einen in den gebildeten Schichten geübten Brauch des Späthumanismus [33] ein. Die europäische Geschichte vergißt er nicht als Hintergrund darzustellen: Er exzerpiert diese zu den Familienereignis-Jahren von 1452 bis 1568 und referiert als Quellen die damals aktuellen Geschichtsschreiber Carion, Melanchton und Sleidanus als Historiker von evangelischer Seite, sowie Giovio, Pontanus und Guicciardini für die italienische Reichsgeschichte. Für das Thema Erinnerungskultur ist seine ausführliche Vorrede mit der Begründung der Chronik von Interesse: Er sieht sich dort in der Tradition von Marcus Tullius Cicero, Plutarch und Sigmund Freiherr von Herberstein mit dessen Familienaufzeichnungen; es gäbe nichts Besseres auf dieser Welt, als edler Vorfahren, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht hätten, ehrliche und herrliche gedechtnußen. Eigene Tugend und entsprechende Taten seien jedoch der beste Adel (S. 16). Und die lateinischen Gedichte aus Philipps Studentenzeit besingen geradezu die Trias Geblütsadel – Tatenadel – Geistesadel (s. das vorangestellte Motto). Mit der Chronik wird das Spannungsfeld zwischen diesen greifbar. – Der Chronist hat auch ein "Brommsches Buch" und ein "Eisenbergersches Buch" [34] hinterlassen mit dem Besitz- und Einkünfteverzeichnis der Familien, den Erbteilungen, Heiratsbriefen, Testamenten usf. Zusätzlich gab es ein Eisenbergersches Saal- und Lehenbuch – sicher von seiner Hand [35]. Im Falle des Brommschen Buches stammt der erste Teil vom Schwiegervater und im Falle des Eisenbergerschen der erste Teil noch vom Vater des Chronisten mit dem Titelblatt in großen gotischen Lettern: Hierin findt man glaublich copien unßer lehen und eigengüter beruren begerern. Auch die von ihm geführten zahllosen Erbstreitigkeiten vor Gericht – er beerbte so nach und nach die anderen absterbenden Familienzweige und wollte das Erbe erhalten – haben aktenmäßig umfangreiche Spuren hinterlassen. Verwalten und Bewahren des Erbes ist mit dem Chronikschreiben Haupttätigkeit und Lebenszweck von Philipp Eisenberger. Infolge der auch hierdurch erzeugten im Prinzip guten, aber noch wenig aufbereiteten Quellenlage ist die Familie Eisenberger samt ihrem Umfeld in Wetterau und Reichsstadt eine der am besten verfolgbaren bürgerlich-niederadligen Familien des 15./16. Jahrhunderts.

Der besondere Reiz der Chronik Eisenberger aber sind die Illustrationen. Die Mehrzahl davon stellen – wie in Geschlechterbüchern häufig – die "Kostümfiguren" [36]. Als unmittelbares Vorbild wurden dabei die Illustrationen des Hausbuchs Melem mit herangezogen. Die Chronik Eisenberger gehört damit zur Gattung der bebilderten Geschlechterbücher, einer besonderen Form der Selbstzeugnisse von Familien und der Repräsentation von Geschlechtern. Die von Leonie von Wilckens 1961 zum Verstehen des "historischen" Kostüms im 16. Jahrhundert, von Rolf Walther 1968/69 zum Hausbuch Melem und seinen Kostümfiguren [37], sowie von Helmut Frhr. Haller von Hallerstein 1978 zu den Nürnberger Geschlechterbüchern allgemein [38] veröffentlichten Forschungsergebnisse sind bisher noch gültig. Obwohl im aktuellen Forschungsschwerpunkt "Erinnerungskulturen" für unser Thema grundlegende Vorarbeiten geleistet wurden [39] und in letzter Zeit ebenso grundlegende Studien zu familiären Selbstzeugnissen und Repräsentation entstanden [40], so zu Berner und Nürnberger Familienbüchern [41], zum Rahmen der ritterlich-höfischen Kultur [42], so eine grundlegende Übersicht zu österreichischen Selbstzeugnissen [43] oder zu Geschlecht und Repräsentation am Beispiel des fränkischen Adels [44], wurde dabei die Rolle der bebilderten Geschlechterbücher nicht angemessen gewürdigt. Auch die Reichenau-Tagung "Zwischen Adel und Nicht-Adel" und das Gießener Kolloquium im Rahmen des Forschungsbereiches Erinnerungskulturen "Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen", beide 1998, thematisierten bebilderte Geschlechterbücher nicht [45]. Nur Andreas Röpcke hat 1995 die Bildergenealogie der Herzöge von Mecklenburg von 1526 – ohne größeren Kommentar – ediert [46] und Pierre Monnet brachte 1999 eine weiterführende Studie zu den Frankfurter Führungseliten und zum Hausbuch Melem [47], stellte dieses jedoch nicht in den Kontext der Entwicklung der Gattung [48]. Erst kürzlich legte Gregor Rohmann eine umfassende Studie zu Clemens Jäger und dem reich bebilderten Ehrenbuch der Fugger, seiner Entwicklung und seinem Umfeld vor, mit vielen Berührungen zum Inhalt dieser Arbeit [49]. – Die in den Eisenbergerschen Kostümbildern präzise dargestellten Details reichen bis zum Schmuck, den der standesbewußte Renaissancemann trug. Mit diesen Bildern ist es auch möglich, ein wenig den Wandel der Sehweisen zu verfolgen, wie von Alf Lüdtke 1994 angemahnt [50], und das gesellschaftlich bedingte System der Zeichen zu erkennen und zu entziffern [51]. Philipp Eisenberger läßt aber auch Szenen darstellen, so etwa diverse Fehden, Gefangennahmen, Kämpfe, alles in Ortenberger Amtsfunktion – darunter von architekturhistorischem Interesse die älteste Ansicht von Kloster Konradsdorf – , sowie eine unglücklich ausgegangene "Hofposse" (eine Maskerade) auf Burg Königstein und eine dramatische chirurgische Operation in Frankfurt. Religiöse Themen fehlen ebenfalls nicht, so die Darstellung am Sarg der ersten Frau des Chronisten. Mit insgesamt 132 verschiedenen Wappen kann schließlich die Chronik Eisenberger auch als Wappenbuch angesprochen werden. – Mit Eisenberger sind darüberhinaus Einblicke in eine Chronikwerkstatt für Bild und Text möglich, etwa zur engen Zusammenarbeit des Chronisten mit seinem ebenfalls familienforschungs-besessenen Schwager Johann Adolf von Glauburg. Auch dieser fertigte Familienaufzeichnungen an und hatte die berühmten Werke des Bernhard Rorbach geerbt: "Stirps Rorbach" und "Liber gestorum" (Kap. C1c). Das Frankfurter Patriziat hatte ab dem 15. Jahrhundert eine reiche Tradition der Familienchronistik. – Philipp Eisenberger nennt seine Chronik im Titelblatt Genealogia (Bild X; S. 36-37). In Text und Bild ist er dann jedoch weit über eine reine Genealogie hinausgegangen. Schon Fichard sprach deshalb von dem Eisenberger Geschlechtsbuch [52]. Geschlechterbuch, Geschlechter- oder Familienchronik, Chronik. Von den vielen denkbaren Möglichkeiten verbindet die Bezeichnung "Chronik Eisenberger" die Vorzüge der einprägsamen Kürze und der Hinweise auf eine alte Geschichtsdarstellung [53] sowie auf deren Gegenstand: Die Eisenberger.

Die Chronik Eisenberger in Text und Bild herauszugeben und zu kommentieren [54], zielt bei der geschilderten Reichhaltigkeit an Themen und der guten Quellenlage [55] somit auf Dreierlei [56]:

  • Eines der ersten Geschlechterbücher der deutschen Renaissance mit reichem Text- und Bild-Material (Kostümfiguren, Szenen, Wappen, Schmuck, Grabdenkmäler) vollständig herauszugeben [57], gleichzeitig das einzige Beispiel für Frankfurt, Wetterau/Taunus und Mainz,
  • die bebilderte Chronik als erzählerischen und gestalterischen Akt in Wechselwirkung zwischen historiografischem Wollen und prägendem sozialem und kulturellen Umfeld ganzheitlich zu erarbeiten [58] und damit auch einen nennenswerten Beitrag zu liefern zur noch nicht geschriebenen Geschichte der Gattung der bebilderten Geschlechterbücher [59], sowie
  • am Beispiel Ortenberg [60] die Geschichte eines kleinen Amts (Kondominat, Nicht-Residenz) in Verknüpfung mit den Geschicken der maßgebenden Amtsfamilie und deren Aufstieg [61] in Niederadel und Patriziat für die Zeitspanne 1450-1600 – und ihren Niedergang durch Aussterben – samt Darstellung in der Chronik exemplarisch zu beleuchten. [62]

Ein vor 400 Jahren entstandenes, inhaltsreiches und buntes Kaleidoskop erschließt so in sehr persönlicher Weise die vielfältige Welt von ausklingendem Mittelalter und früher Neuzeit.

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Anmerkungen:

[1] Chronik Eisenberger: Lateinische Gedichte, aus S. 153 u. 156 (Randspalten); Musen = Wissenschaft und Kunst. [zurück]

[2] Kunstsammlungen Graf von Schönborn, Hs 222 Schloßbibliothek Pommersfelden. [zurück]

[3] Definitionen: Der von den Zeitgenossen benutzte Begriff Geschlecht bedeutet Sippe, Großfamilie (Ulrichs, Lehnhof, S. 28 u. 195), Familienverband (Press, Alte Reich, S. 386-387, 542, 545); vergl. auch Personenverband (Press, ebd., S. 4); er wurde auf Familien des Patriziats sowie des Adels angewandt, beinhaltete also den Anspruch auf hohen Status (Kap. B1e). – Bebilderte Geschlechterbücher enthalten als Hauptteil die Familiengenealogie und stellen deren Mitglieder als Kostümfiguren vor (Genaueres vergl. Tabelle Geschlechterbücher, Anh. 9). Der Begriff Geschlechterbuch, Geschlechtsbuch wurde bereits von den Zeitgenossen benutzt. [zurück]

[4] Patriziat: In Frankfurt für unseren Zeitraum vereinfacht die Mitglieder der Gesellschaften Alten Limpurg u. Frauenstein, soweit es die Eisenberger betrifft nur Alten Limpurg (mit stärkerer Adelsfixierung); s. Kap. B2c. [zurück]

[5] F Holzhausen Archiv, K170 (Privilegienkammer); s. Walther, Hausbuch, u. Ders., Kostümdarstellungen; Anh. 9, F2. [zurück]

[6] Solcher "Briefadel" alleine beinhaltete jedoch noch nicht die Anerkennung durch die neuen Standesgenossen. [zurück]

[7] Hierunter werden im Folgenden Familien verstanden, die regelmäßig Ämter der lokalen Verwaltung besetzten: Schultheiß, Zentgraf, Keller, Amtmann, Rentmeister. Die Eisenberger sind ein Beispiel. [zurück]

[8] Die Zeitgenossen unterschieden zwischen dem Adel (ohne Zusatz) und dem Ritteradel (was bei Reichsrittern beispielsweise Reichslehen voraussetzte); vergl. die Kleiderordnungen in den Reichspolizeiordnungen (Kap. C3e und C3g). Unter Niederadel werden im Folgenden diese beiden Gruppen ohne weitere Unterteilung betrachtet (vergl. etwa Ulrichs, Lehnhof, S. 195-199, am Beispiel Frankens). [zurück]

[9] Anh. 9, Gesamtgeschlechterbücher, F10 u. F7 (vergl. Katalog Lieb Vor Franckfurt, Nr. 180). [zurück]

[10] Sie waren alle drei weitläufig mit den Eisenbergern verschwägert. [zurück]

[11] Lersner, Chronica, Bd. 2, S. 214. Vergl. Katalog Lieb Vor Franckfurt, Nr. 182 [zurück]

[12] F Fichard, Frankfurter Geschlechtergeschichte (Anh. 9, Gesamtgeschlechterbücher, F11). [zurück]

[13] Isphording, Schönborn-Bibliothek zu Pommersfelden. [zurück]

[14] Eine gute Grundlage für die Edition, jedoch ohne die Randnotizen des Originals: Da C1C Nr. 143. [zurück]

[15] Knetsch, Ahnen, und Knetsch, Ahnentafel; wogegen bei Franz, Familienarchiv, S. X, das 7. Kind von Eberhard Wolff zur Todenwarth samt Ehegatten und damit die Anknüpfung der Wolff zur Todenwarth und Eisenberger zu Goethes Ahnen fehlen: Margaretha Wolff zur Todenwarth, * (wohl Schleusingen) 1564, begr. Schmalkalden 28.6.1639, heir. 1582 Henrich Zöllner (+1591), ab 1579 hessischer Landrentmeister ebenda. [zurück]

[16] Peter Fleck, Abschrift Chronik Eisenberger; dem ich das frühzeitige Überlassen einer Kopie verdanke. [zurück]

[17] Bock, Verlobung. [zurück]

[18] Friedrich, Konradsdorf, S. 5 und Titelseite. [zurück]

[19] Schäfer, Eppstein; die Darstellung der Amtsorte bis etwa 1500 enthält auch Ortenberg. [zurück]

[20] Generation hier stets als der genealogische Begriff, vergl. Schuler, Generationsbegriff. [zurück]

[21] Jenny, Zimmern, S. 7-8. [zurück]

[22] Seigel, Geschichtsschreibung, S. 99. [zurück]

[23] Mit Einbettung des Einzelfalls in das weite Feld verwandter Formen: Zahnd, Diesbach, speziell S. 15-16. [zurück]

[24] So Hartmut Bock für die Chronik Eisenberger (einschließlich deren Zusammenhang mit dem Frankfurter Hausbuch Melem und dem Nürnberger Bartholomäus-Haller-Buch, s. u.) schon 1983 in zwei Vorträgen: "Die Kostümbilder der Chronik Eisenberger. Zur Selbstdarstellung hessischer Geschlechter des 16. Jahrhunderts", Jahrestagung der Gesellschaft für Historische Waffen- und Kostümkunde, Offenbach (Besprechung: v. Rohr/v. Wilckens); "Die Familienchronik Eisenberger. Bilder des 15. und 16. Jahrhunderts aus dem Rhein-Main-Gebiet", Jahreshauptversammlung der Familienkundlichen Gesellschaft für Nassau und Frankfurt, Wiesbaden. [zurück]

[25] Schulze, Sozialgeschichte, Einleitung, und Medick, Mikro-Historie. [zurück]

[26] Graf, Adel, S. 204. [zurück]

[27] Vergl. Harald Tersch, Selbstzeugnisse, S. 4 u. 5., der dabei Günter Niggl und Roy Pascal zitiert. [zurück]

[28] Vergl. "Linguistische Wende" (linguistic turn), Cornelissen, S. 21, Hübinger, S. 163. [zurück]

[29] Monnet, Rohrbach. [zurück]

[30] Einschließlich der Vorortfunktion Frankfurts für die Region. [zurück]

[31] Zu den Begriffen Verwaltung, Herrschaft, Amt, Keller usf. vergl. Kap. B1. [zurück]

[32] Im Fürstlich Stolbergschen Archiv Ortenberg für Eppstein bzw. Stolberg; für Letzteres auch im Landeshauptarchiv Magdeburg; im Fürstlich Ysenburg- und Büdingenschen Archiv Büdingen für Isenburg; im Hessischen Staatsarchiv Marburg für Hanau. [zurück]

[33] Zum deutschen Späthumanismus s. Trunz, der diesen fruchtbaren Begriff 1931 einführte, und neuerdings Hammerstein / Walther. [zurück]

[34] Von mir gewählte Bezeichnungen für Or 60/3 bzw. Or V B6 Vol. I u. II. [zurück]

[35] Nicht mehr vorhanden. Hinweise hierauf in Wi 121 Eisenberger 4, (14), S. 1 und 3. [zurück]

[36] Kostümfiguren: Einzelfiguren, Ehepaare, Geschwister usf. in der für sie und ihren Stand typischen Tracht. [zurück]

[37] Von Wilckens, Kostüm; Walther, Hausbuch, sowie Walther, Kostümdarstellungen. Beide würdigen vor allem die Bilder und Kostüme. [zurück]

[38] H. Haller von Hallerstein, Geschlechterbücher; vergl. auch Hirschmann, Genealogie, schon 1963. [zurück]

[39] Vergleiche etwa: Oexle, Memoria, S. 9-78; Holländer; Haverkamp, Memoria; Schneider, Erinnerungskulturen, anhand Beispielen der neueren Geschichte; Assmann, Gedächtnis. [zurück]

[40] Generell Oexle/von Hülsen-Esch, Repräsentation. Dort werden die bebilderten Geschlechterbücher nur von Ursula Kloyer-Hess (S. 408) im Zusammenhang mit den von ihr untersuchten Stammbüchern erwähnt. Zu Autobiographien des 16. Jahrhunderts neuerdings Pastenaci sowie Völker-Rasor, Autobiographien. [zurück]

[41] Zahnd, Familienbücher. [zurück]

[42] Paravicini, Kultur, S. 102-108. [zurück]

[43] Tersch, Selbstzeugnisse; enthält solche Quellen, in denen der Verfasser sich selbst als Gegenstand des Interesses thematisiert (S. 11); s. Rezension (Lambrecht) u. Schulze, Ego-Dokumente. [zurück]

[44] Morsel, Geschlecht, erwähnt die bebilderten Geschlechterbücher nicht: Immerhin sind die Haller von Hallerstein auch fränkische Ritter und an der Entwicklung der Nürnberger Bücher führend beteiligt. [zurück]

[45] Auf der Erstgenannten wurden Familienbücher nur mit erwähnt (Konstanzer Arbeitskreis, Prot. 367, S. 13; sowie Andermann/Johanek); das Zweitgenannte (s. Rösener) thematisierte grundlegend mannigfache Aspekte der Erinnerungskulturen, einschließlich der Bedeutung von Bildern (Rösener, Codex Falkensteinensis; Fey, Hochgrab und Wanddenkmal), jedoch nicht bebilderte Geschlechterbücher. Gleichwohl haben diese Tagungen und die Forschungskonjunktur der Erinnerungskulturen viele dieser Arbeit zu Gute kommende Grundlagen geschaffen, etwa zu den Adelskriterien und den Wegen in den Adel oder das Patriziat zu gelangen (s. Karl-Heinz Spiess, Aufstieg; Gerhard Fouquet, Stadt-Adel; beiden danke ich für das Überlassen ihrer Manuskripte vor dem Druck). [zurück]

[46] Röpcke, Fürstendynastie. – Zur Definition des Begriffs Bildergenealogie s. Anh. 9. [zurück]

[47] Monnet, ville et nom, sowie Ders., Führungseliten. [zurück]

[48] Noch ungeklärt ist die Ursache, warum das Hausbuch Melem nicht wie alle anderen solchen Bücher mit Text, Titelblättern und Vorwort angelegt wurde und damit den Eindruck des Unvollendeten vermittelt. [zurück]

[49] Samt Edition des Ehrenbuchs der Fugger. Zu Beginn stellt er richtigerweise fest, daß die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Familienbuchschreibung selbst bibliographisch noch nicht hinreichend erschlossen wurde und weist auf die Fugger als Aufsteigerfamilie und Inbegriff sozialer Mobilität hin mit entsprechend besonderen Legitimationsbedürfnissen; Rohmann (Diss. Göttingen 1999); vergl. im Literaturverzeichnis die hieraus folgenden Veröffentlichungen; Gregor Rohmann danke ich für das Überlassen der Disketten seiner Dissertation. [zurück]

[50] Lüdtke, Stofflichkeit; dort (Anmerkung 27) auch weitere Literaturangaben. [zurück]

[51] Vergl. die 2000 veröffentlichte Forschungsübersicht "Geschichte(n) denken, schreiben, lesen und erzählen": Beatrix Bastl, Tugend, S. 7-23, hier S. 23. [zurück]

[52] Fichard , Geschl.g., Nr. 93 Eyssenberger, fol. 1‘ u. 14. [zurück]

[53] "Chronik" sehe ich dabei als "am naturalen Zeitablauf orientierte Form der geschichtlichen Darstellung" (vergl. Reallexikon Literaturwissenschaft, Reallexikon Literaturgeschichte sowie Lexikon Mittelalter). [zurück]

[54] Im Rahmen der Vorbereitungen hierzu konnte in der Ausstellung "Patriziat im alten Frankfurt" (vergl. Katalog Lieb Vor Franckfurt) die Chronik Eisenberger erstmals ausgestellt und mit ihrem Bilder-Vorbild, dem Hausbuch Melem, unmittelbar verglichen werden (Bock, Geschlechterbücher). In einem Begleitvortrag "Die Chronik Eisenberger. Frankfurter Patriziat und Wetterauer Niederadel. Bilder und Texte einer Aufsteigerfamilie im 15. und 16. Jahrhundert" wurden Ergebnisse dieses Kommentars vorab vorgestellt. [zurück]

[55] Diese bedurfte für diese Studie allerdings umfangreicher Aufbereitung. [zurück]

[56] Dabei arbeitet die vorliegende Studie aus der Vielfalt der meist fächerübergreifenden Aspekte einige wesentliche Stränge aus, ohne – schon aus Platzgründen – in den Einzelheiten vollständig sein zu können; bei weiteren Komplexen werden nur Themen angerissen beziehungsweise Fragen gestellt und Desiderate benannt. [zurück]

[57] Das erste Exemplar aus dem Patriziat. Bei der von mir gewählten Definition der bebilderten Geschlechterbücher ist es überhaupt das erste Exemplar mit reichem Text und Bildmaterial: Die Bildergenealogie der Herzöge von Mecklenburg (Anh. 9, G3) zeigt als "Text" nur die Personennamen bei den Bildern; das Familienbuch der Herren von Eptingen (Anh. 9, R5), ein Haus- und Familienbuch mit Anklängen an bebilderte Geschlechterbücher, enthält bedeutende Familienmitglieder als Auflistung, die Genealogie jedoch nur in Ansätzen und nicht als Hauptteil, und wird deshalb nicht dazugezählt, kann jedoch als ein Grenzfall gelten, seine Bilder wurden nicht vollständig ediert, z.B. die Ritter und Wappen fol. 190-193‘, 197‘-221, 240, 241‘ usf.; weitere vollständige Editionen bebilderter Geschlechterbücher liegen nicht vor. Die Wiedergabe nur einer Bilderauswahl erzeugt leicht falsche Vorstellungen – auch bei der Forschung; Beispiele hierfür sind das Hausbuch Melem und als verwandte Gattung das Kölner Buch Weinsberg. Mit Hilfe etwa des Forschungsschwerpunktes "Erinnerungskulturen" (vergl. den gleichnamigen SFB 434) sollten weitere Editionen möglich sein. [zurück]

[58] Individuum – Familie – Gruppe – weiteres Umfeld, einschließlich der sich in der Familie Eisenberger berührenden Lebenswelten der Beamten der Wetterau und des Patriziats in Frankfurt. – Für die kulturellen Beziehungen zwischen Stadt und Land gibt es fast keine Vorarbeiten, so Sprandel, Stadt-Land-Beziehungen, S. 24. Vergl. neuerdings Schäfer, Machtgleichgewicht. Die Chronik Eisenberger informiert auch zu diesem Thema. [zurück]

[59] Das bedeutet die Entwicklungen in Nürnberg, Augsburg und Frankfurt zu skizzieren, soweit sie Bezug zur Chronik Eisenberger haben, mit Ausblicken auf einige Beispiele des Adels sowie die Gesamtgeschlechterbücher der Patriziate dieser Städte. – Unter Gesamtgeschlechterbüchern werden hier solche Werke verstanden, in denen alle Familien einer Gruppe, z.B. des Patriziats einer Stadt, beschrieben werden (s. Anh. 9). [zurück]

[60] Im Amt Hofheim war die Familie Eisenberger nur eine Generation lang maßgebend. [zurück]

[61] Laut Fouquet, Stadt-Adel, wird die Forschung bei der Beschreibung der verschiedenen Gruppen und Aufsteigerfamilien wegen der unterschiedlichen Normensysteme Stadt : Land nur mit lokal oder regional orientierter Personengeschichte und unter Differenzierung der Aufstiegsziele weiterkommen. [zurück]

[62] Dabei sollen Edition und Kommentar – dem guten Beispiel gedruckter Werke des 16. Jahrhunderts folgend – durch ausführliches Stichwortverzeichnis, Stammtafeln, Tabellen und Anmerkungen leicht zugänglich gemacht werden und so das "Stöbern" quer durch die Vielfalt der Themen erleichtern. Querverweise erschließen sich mit Hilfe des Stichwortverzeichnisses. – Dagegen erschien es vertretbar, aus Platzgründen und zu Gunsten der vollständigen Wiedergabe der Bilder die Nebenstränge der Argumentation in die Fußnoten zu verweisen. [zurück]