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Ketten

Bebilderte Geschlechterbücher der deutschen Renaissance
Ein Internetangebot rund um die Chronik Eisenberger
von Hartmut Bock


Goldene Ketten und Wappenhelme:
Zur Unterscheidung zwischen Patriziat und Adel
in der Frühen Neuzeit
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Vorbemerkung:

Der hier seit dem 19. 10. 2003 ins Netz gestellte Aufsatz wurde in einer frühen Fassung 2002 auf dem Workshop “Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft” des SFB 496 “Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme ...” (Uni Münster)  vorgetragen. Der Vortrag ging von den goldenen Ketten der Kostümfiguren in den bebilderten Geschlechterbüchern aus. Die Grundthesen wurden auch im Rahmen eines Vortrags 2002 an der Universität Augsburg (IEK, Graduiertenkolleg, siehe Ende der Kurzfassung) diskutiert. Die Thematik wurde inzwischen mehrfach wesentlich vertieft und verbreitert. So kamen zuletzt Ulm, Lübeck sowie überblicksweise eine ganze Reihe weiterer Städte und Territorien hinzu, wodurch die Ergebnisse erheblich verdichtet und abgerundet wurden. Das Endprodukt liegt ab Mai 2005 im Druck vor:
               Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 97 (2004), S. 59-120
Es wird nun parallel (dank der freundlichen Zustimmung von Herausgeber [Historischer Verein für Schwaben] und Verlag [Wißner-Verlag]) ab 2. 5. 2005 hier im Internet samt zusätzlich wieder den Belegen für alle 700 genauer untersuchten Bildnisse vorgestellt. Die entsprechenden Tabellen 4a und 4b sind eine persönliche Kartei, die nicht in jeder Hinsicht ausgearbeitet wurde, sondern vor allem der Untersuchung der hier aufgeworfenen Fragestellungen dienen soll. Um weiterführende Forschungen zu erleichtern, stelle ich sie dennoch unverschlüsselt und zur Weiterarbeit einladend zur Verfügung. In jedem Falle sind Hinweise auf Unstimmigkeiten, die sich in diesem umfangreichen Material eingeschlichen haben werden, ebenso wie Ergänzungen, stets willkommen, siehe Kontakt. – Nachträge zum gedruckten Text sind (in den Anmerkungen) farbig markiert.
 

Kurzfassung:

Die an den Kleiderordnungen (KO) und über 700 genauer untersuchten Bildern erstmals erarbeiteten Befunde zu den goldenen Ketten der Männer deuten auf eine gewisse Selbstautonomie nur von Augsburg, Nürnberg, Ulm und Frankfurt gegenüber den Bestimmungen der Reichsgesetzgebung schon im ganzen 16. Jahrhundert. Die vier Reichsstädte bewegten sich dabei innerhalb des Gestaltungsspielraums, den die Reichspolizeiordnungen (RPO) generell und ausdrücklich der reichsständischen Gesetzgebung einräumten, nämlich die Bestimmungen bei der lokalen Umsetzung allgemein mäßigen und für die KO verschärfen zu dürfen, bzw. sogar unter Verzicht reichsweiter Vorgaben für die Bürger und anderen Untertanen von den einzelnen Obrigkeiten verlangten, den jeweiligen lokalen Gegebenheiten entsprechende KO zu erlassen.
Goldene Ketten sind in Augsburg im 16. Jahrhundert durchgehend für die gesamte Herrenstube (Patrizier und Zünftler) ihrem alter herkommen nach in zumindest ‘offiziösen’ Bildern (Tanzbild 1500 sowie Trachtenbuch 1569) und bestätigend in den KO ab 1582 nachweisbar, als ob alle Herrenstubenmitglieder im Sinne der RPO von 1530 adelsgleich gewesen wären. Nürnberg ließ entsprechend per KO schon 1501 ein nicht offenes Tragen zu und ab 1568 ohne diese Einschränkung; Frankfurt 1576 wie Nürnberg 1568; beide jedoch nur für Einzelne, die es von alters befugt; Ulm 1574 ihrem alten herkommen nach für die Geschlechter insgesamt. Andere Städte und Territorien begannen gemäß einer größeren Stichprobe von KO ab 1598, goldene Ketten dem ersten Stand zuzulassen. Weitere generell Bevorzugte bei den goldenen Ketten der Männer waren – neben den bekannten Ausnahmen der Kleiderordnungen, den Doktoren und hohen Beamten von Fürsten – Gesandte, kommandierende Militärs und Narren an Fürstenhöfen.
Mit diesen Befunden lassen sich bei den goldenen Ketten der Männer in Augsburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt und darüber hinaus von 1450 bis 1650 keine eindeutigen Verstöße gegen KO feststellen. Soziale Veränderungen werden mit den goldenen Ketten als Prozess sogar im Detail messbar, so die Zunahme von Bildnissen mit goldenen Ketten der Männer Anfang des 16. Jahrhunderts: Die Herrenstube von Augsburg und die Patrizier von Nürnberg folgten nur um wenige Jahre verzögert dem Niederadel, etwa gleichauf mit den Räten und Doktoren; in Summe zogen die bürgerlichen Kettenträger dem Niederadel gleich. Insgesamt begann die Mode der goldenen Ketten der Männer entsprechend dem Einsetzen der ständischen Differenzierung in den KO um 1500; nach zwei zeitlichen Höhepunkten noch im 16. Jahrhundert klang sie schon im 17. weitgehend aus. Auch der Blick auf die Kronen und Formen der Wappenhelme lehrt: Kein anderes Distinktionsmerkmal wie die goldenen Ketten der Männer vermag so anschaulich, mit klaren Kriterien und als sensibler Indikator sozialer Dynamik die Entwicklungen und Differenzierungen bei der zunehmend adelsgleichen Repräsentation des ersten Standes in den untersuchten vier Städten und weit darüber hinaus zu vermessen. Anspruch und herausragende Stellung von Augsburg, Nürnberg, Ulm und Frankfurt können nicht zuletzt von ihrer Rolle als reichspolitische Zentren her verstanden werden.